Die Spinne in der Bananenkiste
Wir schreiben den 11. Februar 2017, Mitarbeiter eines Supermarktes in Bayreuth wählen die Notrufnummer der Feuerwehr: Eine angeblich 10 cm große Spinne hockt in einer Bananenkiste. Der Markt wird für einige Stunden dicht gemacht und Rettungskräften gelingt es, das Tier zu sichern und Experten zu übergeben. Diese identifizieren es später als eine Spezies aus der Gattung der Kamm- oder Wanderspinnen Phoneutria. Wenn die Bestimmung korrekt war, war die Größe des Tieres in der Presse ein wenig übertrieben, nicht jedoch die Vorsichtsmaßnahmen, denn Phoneutria-Bisse sind tatsächlich eine eher unangenehme A/ngelegenheit, die im Krankenhaus enden kann. Immerhin belegt die Episode, dass die „Spinne in der Bananenkiste“ keine urbane Legende ist, auch wenn solche Überraschungen in Zeiten des intensiven Einsatzes von Insektiziden in der Landwirtschaft inzwischen Seltenheitswert haben.
In den allermeisten Fällen entpuppt sich die Hysterie um alles Achtbeinige, das den Obstlieferungen entsteigt, als unbegründet, denn in der Regel handelt es sich um völlig harmlose Arten, z.B. um baumbewohnende Vogelspinnen oder Radnetzspinnen. Und auch Wanderspinnen gibt es in den mannigfaltigsten Formen. In dieser Übersicht habe ich ein paar besprochen, die uns hier in Costa Rica begegnet sind. Eine Wanderspinne, die der berüchtigten Phoneutria ziemlich ähnlich sieht und die tatsächlich mit Vorliebe auf Bananenpalmen lebt, wollen wir euch in diesem Artikel kurz vorstellen.
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Auf der Suche nach der Bananenspinne
Um sie zu finden, braucht es hier in Aqujitas/Drake Bay auf der Halbinsel Osa in Costa Rica nichts weiter als einen kurzen Spaziergang in den Garten unseres Hotels. Dort, direkt am Waldrand, steht eine kleine Plantage mit Bananenpalmen und schon nach wenigen Minuten erfassen unsere Stirnlampen das verräterische Glühen von Spinnenaugen in der Dunkelheit.
Cuppienius coccineus heißt das stattliche Tier, dass da kopfunter an einem alten, oben abgesägten Bananenstamm sitzt und lauert. Der wissenschaftliche Name bedeutet so viel wie „der rote Lüsterne“… Nun, manchmal sind Wissenschaftler eben ein wenig seltsam. Aufgrund ihrer mangelnden Verbreitung als Terrarientier hat sie in Deutschland keinen tradierten Trivialnamen, im englischen ist sie die „Red Legged Banana Spider“. Rot passt aber, denn die Beinunterseiten sind tatsächlich von einer kräftigen Rotfärbung.
Über die Giftigkeit von Wanderspinnen
Apropos Phoneutria: Die für den Menschen gefährlichen Wanderspinnen sind, insbesondere die Arten Phoneutria fera und vor allem Phoneutria nigriventer, vor allem in Südamerika (insbesondere in Brasilien) und nicht in Costa Rica heimisch. Auch wenn die Gifte dieser Spinnen Kindern sowie kranken und alten Menschen gefährlich werden können, wird das Risiko, von einem Tier gebissen zu werden, völlig überschätzt. Phoneutria ist zwar dafür bekannt, sich bei Störungen tapfer zur Wehr zu setzen, hat aber, wie alle Spinnen, eine Verteidigungsdistanz von nur wenigen Zentimetern und beißt in der Regel nur bei direkter Bedrohung und bei Berührung. Oft handelt es sich außerdem um „trockene“, also giftlose Verteidigungsbisse, denn das Tier braucht einige Zeit, neues Gift (das für eine erfolgreiche Jagd wichtig ist) zu produzieren. Hier in Costa Rica ist vor allem Phoneutria boliviensis verbreitet, und diese ist weitaus weniger toxisch als ihre brasilianischen Verwandten. Gebissen werden möchte dennoch niemand, denn der Biss ist äußerst schmerzhaft und unter Umständen mit einem kurzen Krankenhaus-Aufenthalt zur Beobachtung verbunden.
Unsere Bananenspinne Cupiennius wiederum ist noch harmloser. Das Gift ist ein Neurotoxin und besteht aus acht Komponenten. Allerdings ist dieser Cocktail vor allem auf Insekten zugeschnitten. Nicht-allergische Menschen würden bei einem Biss lediglich lokalen Schmerz und eine Schwellung verspüren, etwa wie bei einem Bienenstich. Respekt ist freilich dennoch angebracht, denn die Tiere haben am liebsten ihre Ruhe.
Und genau das raten wir auch allen Lesern: Spinnen verdienen Respekt. Sie sind nützlich, in der Regel völlig harmlos (sogar die für den Menschen giftigen werden sich immer nur verteidigen, niemals von sich aus angreifen) und aufgrund der Zerstörung ihrer Lebensräume oftmals bedroht.
Eine bunte Schönheit
Durch die rote Beinunterseite und anhand den Streifen der „Gesichtspartie“ kann man Cupiennius als Sachkundiger eigentlich ganz gut von Phoneutria unterscheiden.
Cppiennius hat zwei dunkle Längsstreifen auf den Chelizeren, Phoneutria dagegen einen breiteren auf den Pedipalpen. Außerdem weist Phoneutria einen dunklen Längsstreifen auf dem Carapax auf, während der Carapax von Cppiennius ein schmales, sternförmiges Muster zeigt.
Es handelt sich hier um ein Weibchen, was uns nicht nur das Fehlen von Bulben, den männlichen Geschlechtsorganen an den Pedipalpen (das ist das vorderste verkleinerte Beinpaar) verrät. Cppiennius weist einen starken Geschlechtsdimorphismus auf: Die Männchen sind viel kleiner und schlanker als die Weibchen.
Wanderspinnen werden aufgrund ihres Familiennamens oft mit nomadisch lebenden Tieren assoziiert. Tatsächlich sind die Tiere, zumindest die großen Weibchen, die wir beobachten konnten, recht ortstreu. Wir konnten die gleichen Tiere über mehrere Nächte an den selben Stellen „ihrer“ Bananenpalmen finden. Tagsüber verstecken sie sich unter der faserigen Rinde, nach Sonnenuntergang kommen sie hervor und lauern als Ansitzjäger auf ihre Beute. Freilandstudien haben gezeigt, dass die Tiere etwa sechs Stunden aktiv sind und sich dann wieder zurückziehen
Blitzschneller Angriff
Wir bestaunen die reglos lauernde Spinne und wollen wissen, wie schnell sie wirklich ist. Ein dargebotenes Ästchen wird, mitsamt meinem Finger, sofort angesprungen und wieder losgelassen. Das Tier ist offensichtlich sehr hungrig! Also beschließen wir ihr einen Snack zu verschaffen, um das Beutegreifverhalten zu beobachten. Wir verfüttern ihr eine Laubheuschrecke, die wir in der Nähe auf einer anderen Banane finden. Wer das grausam findet: Große Insekten aus dem gleichen Habitat, wie solche Laubheuschrecken, bilden die Hauptnahrung der Spinnen. Wir helfen hier der natürlichen Ordnung lediglich ein wenig zu Studienzwecken nach, und von unserer Gabe wird das Tier eine Woche lang zehren. Und Cupiennius enttäuscht uns nicht: Die Geschwindigkeit, mit der die Beute geschlagen wird, ist beachtlich. Es bleibt nicht einmal wirklich Zeit, die Hand zurück zu ziehen! Auch das Gift tut sofort eine Wirkung: Das Insekt scheint auf der Stelle betäubt oder tot. Eine faszinierende Beobachtung!
Weiterführende Links
Eine überaus spannende und lesenswerte Arbeit, die im Nature Magazin erschien, beschäftigt sich mit der strukturellen Bauweise der Klauen, welche die Beißkraft von C. occineus verbessert.