Mikroabenteuer, Naturbeobachtungen und Trekking für Leute mit Schlaubrille
17. April 2023

Besuch beim Ara-Retter

By In Allgemein, Costa Rica, Mensch und Natur, Museen und Bildung, Weit, weit weg!

Unser Taxifahrer ist sichtlich verunsichert: Seit einer halben Stunde fährt er uns durch die ländliche Gegend ins Nirgendwo, durch eine abwechslungsreiche Landschaft aus tropischem Regenwald, Palmfruchtplantagen und Viehweiden. Wir versichern ihm, dass unsere Google-Daten korrekt sind und zu einem real existierenden Ziel führen. Hin und wieder sehen wir Ziegen, Pferde und Reiher auf der anderen Seite der Weidezäune, oder den Karakara, einen auffällig hell gefärbten Greifvogel. Doch zum Anhalten und Fotografieren ist keine Zeit, wir sind verabredet.
Wir befinden uns in Costa Rica auf einem unserer Kurztrips nahe der Kleinstadt Puerto Jiménez auf der Halbinsel Osa. Unser Ziel ist ein abgelegenes Grundstück im Landesinneren, an der Grenze zum Regenwald gelegen. Nachdem unsere Fahrt kurzzeitig von mehreren Mini-Seen, für die das Wort „Schlagloch“ viel zu freundlich wäre, und einem maroden Holztor unterbrochen wird, gelangen wir endlich ans Ziel unseres Ausflugs. Das Gelände ist eben und wirkt auf den ersten Blick überraschend gleichförmig, denn es ist in regelmäßigen Reihen mit jungen, höchstens 10 Meter hohen Mandelbäumen bepflanzt, die den Boden mit grün- goldenen Lichtspielen überziehen. Zwischen den Bäumen versetzt stehen große, begehbare Komplexe aus geräumigen Volieren und die gutgelaunten, rauh klingenden Rufe ihrer Bewohner sind weithin zu hören. Ein sehr großer, sehr blonder Mann begrüßt uns mit dem breiten englischen Akzent Neuseelands, begleitet von seiner Mitarbeiterin, einer zierlichen Costaricanerin. Chris Castles ist Biologe und Naturschützer und setzt sich seit über 20 Jahren für den Schutz und die Wiederansiedlung der Aras in Mittelamerika ein.

Ein Leben für die Papageien

Von seiner Website wissen wir, dass er einst im Wellington Zoo (Neuseeland) arbeitete, bevor er 2003 nach Costa Rica zog, um für die Bildungsinitiative „Amigos de las Aves“ zu arbeiten. 2009 gründete er das Avifauna Reintroduction Alliance (ARA) Projekt, wo er über 200 Aras von Hand aufzog und dabei half, sie an verschiedenen Orten Costa Ricas auszusetzen. Im Jahr 2010 leitete er die weltweit erste Auswilderung von in Gefangenschaft gezüchteten Großen Soldatenaras. Danach baute er das neue Rettungszentrum auf der Osa-Halbinsel im Jahr 2015 auf, bevor er 2017 offiziell Macaw-Conservation-Project mitgründete.

Chris Castles Macaw Project
Chris Castles, ursprünglich aus Neuseeland, widmet seine ganze Energie für den Schutz der Aras in Costa Rica.

Das Macaw-Conservation-Projekt auf der Osa-Halbinsel ist eine Initiative, die für den Schutz und die Wiederherstellung der Populationen des Hellroten Aras Ara macao, einem der farbenprächtigsten und charismatischsten Vögel der Welt, arbeitet. Weil wir dieses Projekt so spannend und wichtig finden, haben wir Chris Castles interviewt und ihn über seine Arbeit und den Schutz der Aras ausgefragt.

Nerds in der Wildnis: Fangen wir mit den offensichtlichen Fakten an… Wie heißt du, wie heißt dein Projekt, wie lange ist es online und was machst du genau?

Chris: Ich bin Chris Castles aus Neuseeland. Mein Projekt heißt „Macaw Conservation“ und besteht seit zehn Jahren. Wir sind seit acht Jahren auf der Osa-Halbinsel, betreiben Naturschutz, Bildung und Rehabilitation und setzen Aras aus.

NIDW: Wie ist der aktuelle Stand eures Projekts?

Chris: Momentan kümmern wir uns um den offiziellen Status eines Zoos, so können wir Bildung betreiben und Besucher auf das Gelände lassen. Wir bieten Zuflucht und Schutz für Aras und geben den Vögeln ein dauerhaft sicheres Zuhause, wenn sie nicht mehr ausgewildert werden können.

NIDW: Um noch mal euren Staus zu klären: Ihr seid kein reines Hilfsprojekt? Welche Schritte bei den Behörden wären erforderlich, um als offizielle Einrichtung für die Erhaltung, Zucht und Freilassung zuständig zu sein?

Chris: Es gibt strenge Regularien darüber, wann man sich als reines Schutzprojekt und wann man sich als Zoo bezeichnen darf, denn beides kann schnell in Konflikt miteinander geraten. Um ein offizielles Zentrum für die arterhaltende Zucht zu sein, darf es man seine Einrichtung nicht der Öffentlichkeit zugänglich machen und Besucher haben. Das bedeutet dann aber auch, dass man auf die Bildung der Menschen verzichtet. Ein schwieriges Thema.

NIDW: Ich kann mir vorstellen, dass man eine besondere Art von Persönlichkeit haben muss, um so etwas wie dies hier durchzuziehen. Was denkst du, ist notwendig, um ein solches Projekt zu starten, was für ein Typ muss man sein?

Chris: Man muss unabhängig sein, Tiere sehr mögen und mit ihnen sozial sein können. Man muss einen Traum und eine Vision haben. Man muss dabei bleiben. Und man muss flexibel sein.

NIDW: Du lebst hier mehr oder weniger allein, weit weg von dem, was man als Zivilisation bezeichnen würde. Stört dich das nicht?

Chris: Nein. Wo ich in Neuseeland aufgewachsen bin, lebte ich in einer ländlichen Gegend. Wir hatten keine Nachbarn und in meiner Schule gab es insgesamt nur 25 Schüler.

NIDW: Wow. Und wie ist die tägliche Arbeit mit den Vögeln? Was machst du nach dem Aufstehen?

Chris: Also, das beginnt mit der Futtervorbereitung. Dann kommt die Reinigung der Volieren, die Fütterung, die Inspektionen. Und dann die Arbeiten auf dem Grundstück, Instandhaltungen und dann ist noch mehr Futter sammeln, weitere Fütterungen usw.

NIDW: Was fressen deine Papageien?

Chris: Sie essen viele natürliche Lebensmittel, viele Blätter, Blüten, Rambutan (Nephelium lappaceum), Mango. Ein Großteil des Futters wird auf dem Grundstück angebaut. Es ist für die Aras. Es hängt also davon ab, was saisonal verfügbar ist. Die meiste Zeit des Jahres haben wir Mandeln. Mandeln sind die Hauptnahrung der Vögel in der Wildnis. Aber wir haben auch noch Guaven, Ananas, Papaya und einige Samen.

NIDW: Du hältst hauptsächlich eine Art von Papagei. Welche Art ist das? Was sind ihre Verhaltensweisen und Lebenszyklen?

Chris: Die Roten Aras (Ara macao) sind die häufigsten Aras der Osa-Halbinsel, deshalb haben wir hier hauptsächlich Rote Aras. Es gibt hier im Projekt noch einige (für uns) exotische Aras wie Gelbbrustaras (Ara ararauna), Grünflügelaras (Ara ambiguus) und ein paar Hybriden. Aber die haben wir als beschlagnahmte Haustiere gekommen, sind nicht für die Auswilderung zugelassen und sollen ein dauerhaftes letztes Zuhause bekommen. Unsere Schutz- und Auswilderungsbemühungen gelten dem hellroten Ara.

Volieren und Mandelbäume. Mandelbäume bis zum Abwinken. So sieht ein Ara-Rettungsprojekt aus!

Der Papagei der Papageien

Alle unter den Leser*innen werden schon einmal einen Hellroten Ara gesehen haben: Beeindruckend groß mit einem riesigen, hell-dunklen Krummschnabel, einem langem Schwanz und von roter Grundfarbe und mit gelben, grünen und blauen Flügelfedern ist dieser Vogel wahrscheinlich das erste Bild, dass ihr im Kopf habt, wenn ihr das Wort „Papagei“ hört. Ara macao kann höchstes noch mit dem Dunkelroten- oder Grünflügelara Ara chloroptera verwechselt werden, das war’s dann aber auch schon.
Aras stellen mit die größten und auffälligsten unter den Papageien, was sie, neben ihrer hohen Intelligenz, zu beliebten Haustieren macht. Leider, muss man fast schon sagen, denn die Wilderei und der illegale Tierhandel waren im letzten Jahrhundert mitverantwortlich für den gefährlichen Rückgang der Arapopulationen in ihren jeweiligen Herkunftsländern. Inzwischen stehen alle Ara-Arten unter strengem Schutz und die Zucht der Tiere in Gefangenschaft funktioniert weltweit so gut, dass der Haustierhandel weitgehend ohne Wildfänge auskommt. Heutzutage bedroht die Aras vor allem die Zerstörung ihrer Habitate durch Zersiedelung, Waldrodung und intensive Landwirtschaft.

Der Hellrote Ara ist ein in jeder Hinsicht bemerkenswertes Tier: Er ist ein geselliger Vogel, der in Gruppen von etwa 20 Tieren zusammenlebt. Er kommuniziert mit lauten Rufen und mit Gesten und gilt, neben anderen Großpapageien wie den Kakadus und den nicht näher verwandten Rabenvögeln, zu den intelligentesten Vögeln überhaupt. Das Tier ernährt sich hauptsächlich von pflanzlicher Kost, die es hoch in den Bäumen findet. Zur Nahrung des Hellroten Aras gehören Samen, Nüsse, Früchte, Beeren, Knospen, junge Triebe und Blätter. Er kann mit seinem kräftigen und gebogenen Schnabel die harten Schalen von Nüssen und Früchten knacken und mit seiner rauen Zunge die Samen herauslösen. Der Hellrote Ara ist auch in der Lage, giftige oder bittere Pflanzen zu fressen, die er mit Lehm neutralisiert. Er besucht regelmäßig sogenannte Lecksalzstellen, wo er Lehm aufnimmt, der ihm hilft, die Toxine auszuscheiden.

Portrait eines Hellroten Aras (Ara macao).

Auch wenn Ara macao im Zweifelsfall auf ein breites Nahrungsspektrum zurückgreifen kann, gibt es vor allem eine Frucht, die die Art besonders schätzt: Die Mandel. Hellrote Aras lieben Mandelbäume über alles und die einfachste Methode, die Tiere in freier Wildbahn zu fotografieren, ist, dort nach ihnen zu suchen, wo die großen Mandelbäume wachsen. Und genau diese Nahrungsvorliebe ist der Grund, warum auf dem Gelände des Macaw-Conservation-Projects so viele junge Mandelbäume stehen: Sie wurden extra für die Tiere gepflanzt, damit diese nach ihrer Auswilderung sofort genug Nahrung finden und die Futtersuche außerhalb der Rehabilitierungs- und Nachzuchtvolieren in Ruhe trainieren können, bevor sie ihr Glück im richtigen Regenwald versuchen.

feeding macaw
Das Fruchtfleisch und die Kerne der Mandel sind die Leibspeise von Ara macao.

NIDW: Woher kommen deine Aras? Sind sie verletzt? Sind sie wild, wenn du sie bekommst? Sind es alte Haustiere?

Chris: Nein, nicht alle sind Haustiere. Einige von ihnen hier sind wilde Vögel, die verletzt wurden und nicht freigelassen werden können. Einige von ihnen wurden unter widrigen Bedingungen in Gefangenschaft gezüchtet, dann beschlagnahmt, können nicht freigelassen werden und sind jetzt Haustiere. Es ist eine Vielzahl an Fällen und oft kenne ich die genauen Geschichten nicht. Ich weiß dann weder, woher die Tiere kommen, noch welche Gesundheitsgeschichte sie haben oder wie alt sie sind. Vieles davon ist Rätselraten und möchte man ihnen helfen, muss man muss sie auch ihre eigenen Entscheidungen treffen lassen.

NIDW: Wie beeinflussen deine Nähe und die Handaufzucht deine Arbeit mit ihnen? Ist es ein Problem, weil sie zu sehr an Menschen gewöhnt sind und dann nicht mehr in der Wildnis leben können? Kann man sie dazu trainieren, wieder unabhängig zu werden?

Chris: Ja, das kann man und es ist sehr interessant! Das sind alles individuelle Fälle. Einige der Vögel, die wir haben, als wir vor ein paar Jahren als Zuflucht registriert wurden, konnten wir rehabilitieren, weil wir den Platz hatten. Wir haben keine Nachbarn, wir haben keine Leute, die mit ihnen interagieren würden. Sie konnten wild werden und soziale Bindungen mit wilden Vögeln eingehen, was toll zu beobachten war. Einige Vögel jedoch sind so aggressiv, dass man sie nicht mehr draußen haben kann. Sie sind eine Gefahr für Menschen und Tiere und würden aktiv angreifen. Das ist sehr individuell. Wenn die Vögel jung genug sind, können sie wieder in die Wildnis zurückkehren, aber wenn sie zwanzig Jahre lang in Gefangenschaft waren, können sie oft nicht mehr freigelassen werden. Es ist ziemlich traurig.

Papageien-Teenager in Ausbildung

Während wir uns unterhalten, zeigt Chris uns das Gelände des Hilfsprojekts. Den Volieren dürfen wir uns nicht allzu sehr nähern, um die verletzen Vögel und jene, die ausgewildert werden sollen, nicht zu stören. Doch müssen wir das auch gar nicht, denn die Aras kommen zu uns. Bereits ausgewilderte Tiere sitzen über uns in den Kronen der Mandelbäume. Sie sind aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen an den Menschen gewöhnt, befinden sich aber mitten im Auswilderungsprozess oder haben diesen schon durchlaufen. Nun kommen einige von ihnen zu uns herunter, setzen sich auf nah gelegene Äste und folgen uns zur extra für diesen Zweck aufgestellten Beobachtungsplattform.

Die Plattform soll später einmal das Besucher-Highlight des Projektes werden. In einer Höhe von ungefähr 16 Metern kann man, umringt von Infotafeln, den Aras sozusagen „auf Augenhöhe“ begegnen und sie besser beobachten. Und tatsächlich leistet uns eine kleine Ara-Familie an und sogar auf der Plattform Gesellschaft. Es handelt sich um ein erwachsenes Paar mit einem flüggen Jungtier.

Chris Castles mit „seinen“ Aras auf der Beobachtungsplattform des Projekts. Anfangs werden die Tiere hier noch gefüttert, doch lernen sie nach und nach, sich selber zu versorgen.

Aras sind, wie die allermeisten Papageien, monogam und bleiben ihren Partnern ein Leben lang treu. Während der Brutzeit zieht sich das Paar in eine Baumhöhle zurück, wo das Weibchen zwei bis vier Eier legt. Das Männchen versorgt das Weibchen mit Futter, bis die Jungen nach vier bis fünf Wochen schlüpfen. Die Jungen bleiben noch bis zu vier Monate im Nest, bevor sie flügge werden. Dann beginnt die „Ausbildung“ der Papageienteenager: die Eltern führen ihren Nachwuchs durch den Wald und zeigen ihnen alles, was ein Papagei wissen muss: Wie man sich geschickt fliegend, kletternd und laufend durch den Regenwald bewegt, welcher Baum essbare Früchte trägt, wann welche Pflanzen blühen, wie man harte Nüsse knackt und vor welchen Beutegreifern man als Vogel auf der Hut sein muss.
Was Papageien aber auch in dieser Zeit lernen, ist die komplexe Verständigung mit ihren Artgenossen, inklusive der dafür notwenigen sozialen Skills. Der Zusammenhang zwischen Papageien und Linguistik ist ein faszinierendes Thema, das sowohl die biologischen Aspekte der Sprachfähigkeit als auch die kulturellen und kognitiven Kennzeichen der Sprachverwendung betrifft. Papageien sind eine Gruppe von Vögeln, die zu den wenigen Tierarten gehören, welche in der Lage sind, menschliche Sprache nachzuahmen. Dies wirft die Frage auf, wie Papageien Sprache erwerben, verarbeiten und produzieren und ob sie dabei ähnliche oder unterschiedliche Mechanismen nutzen wie Menschen.
Tatsächlich gibt es inzwischen wissenschaftliche Studien, die zeigen, dass auch freilebende Papageien über eine Art Proto-Sprache verfügen, die von einer Generation auf die andere über das Lernverhalten der Tiere weitergegeben wird. So weiß man inzwischen, dass sich die Vögel gegenseitig speziell angepasste Kontaktrufe geben, die die Funktion von Namen erfüllen oder dass sie unterschiedlich kombinierte Alarmrufe für verschiedene Arten der Bedrohung durch Feinde kennen und diese kontextbezogen miteinander kombinieren.
Spannend hierbei ist, dass es sich nicht um rein genetisch determinierte Rufe handelt, sondern dass sich diese von Population zu Population unterscheiden und sozusagen kulturell tradiert werden.

Während wir dem jungen Ara dabei zuschauen, wie er seine Eltern um Futter anbettelt und diese ihm geduldig zeigen, wie man fachgerecht eine Mandel aus ihrer dicken Schale befreit, sprechen wir mit Chris über den Grad der Bedrohung, dem die Spezies ausgesetzt ist und wie Vogelschutz in Costa Rica aussieht. Die Osa-Halbinsel ist ein Hotspot der costaricanischen biologischen Vielfalt und beherbergt 2,5% der Artenvielfalt des gesamten Planeten. Leider ist der Ara macao durch Lebensraumverlust, Wilderei und illegalen Handel bedroht. Das Projekt arbeitet mit lokalen Schulen, Gemeinden und Behörden zusammen, um das Bewusstsein für die Bedeutung dieser Art zu schärfen und künstliche Nistplätze zu installieren, um die Fortpflanzung zu fördern. Das Projekt überwacht auch die Aktivitäten und das Verhalten der Aras in der Region und sammelt wertvolle Daten für die Erhaltung dieser faszinierenden Vögel.

Macaw Family
Ein Ara-Weibchen (rechts) und sein Jungtier (links) gut erkennbar an der für junge Papageien typischen Körpersprache, die sich in gebückter Haltung, aufgeplustertem Gefieder und Bettelgesten äußert.

NIDW: Wie ist die aktuelle ökologische Situation für Ara macao heute in Costa Rica?

Chris: In Costa Rica verbessert es sich sehr. Es gibt Aras in Gebieten, wo sie vor siebzig Jahren nicht gefunden wurden. Die Freilassungs- und Wiederansiedlungsprojekte, die im ganzen Land durchgeführt wurden, haben die Wildpopulationen verbessert und auch Populationen in Gebieten wieder hergestellt, die ansonsten Jahrhunderte brauchen würden, um selbständig mit Aras bevölkert zu werden. Für Zentralamerika aber insgesamt betrachtet ist die Situation aber traurig, denn Ara-Populationen gehen massiv zurück. Es gibt keine Lebensräume mehr, sodass Costa Rica der letzte starke Halt für die beiden Arten Hellroter Ara und Soldatenara in Zentralamerika ist.

NIDW: Hat die Tatsache, dass der Hellrote Ara wieder so verbreitet in Costa Rica ist, mehr mit der Wiederauswilderung oder mehr mit der Erhaltung der Wälder zu tun?

Chris: Es ist eine Kombination aus beidem. Es gibt mehr geschützte Lebensräume, aber die nistenden Tiere brauchen Bäume, die oft hundert Jahre alt sind, also brauchen sie eben auch einen alten und großen Wald.

NIDW: Ist mit alten Bäumen alte, tote Bäume als Nistmöglichkeit gemeint?

Chris: Nein, aber es müssen Bäume vorhanden sein, die groß genug sind eine Papageienfamilie aushalten zu können. Manchmal können Palmen das tun, aber diese halten nicht lange durch, weil sie von den Papageien so sehr zernagt werden, dass sie irgendwann umfallen. Es braucht die großen, stabilen Urwaldriesen. Der Schutz des Lebensraums funktioniert, weil er Nahrung und Flächen für Aras bereitstellt Aber auch das Stoppen des Haustierhandels und auch die Legalisierung von Haustieren in vielen Ländern haben viel geholfen. (Anmerkung von NidW: Das liegt daran, dass legale, artgerecht durchgeführte Zucht von Papageien die Wildfänge und den illegalen Handel weitgehend austrocknet.) Es ist eine Kombination aus Lebensraumschutz, Erhaltung und Bevölkerungsbildung, die dazu beigetragen hat, dass die Art in Costa Rica nicht mehr vom Aussterben bedroht ist. Das wäre eigentlich in ganz Zentralamerika möglich, aber da müssten die Nachbarstaaten unserem Beispiel folgen und ebenfalls Lebensräume zu schützen.

Scarlet Macaws Costa Rica
Ein berührender Anblick: Wilde Aras ziehen in Scharen über den Regenwald Cosa Ricas.


NidW: Die Beziehung zwischen Menschen und Papageien hat eine lange Geschichte, weil sie als Haustiere gehalten und geliebt werden, während man gleichzeitig ihre Lebensräume zerstört. Was hältst du von Papageien als Haustier und wie beeinflusst dies deine Arbeit?

Chris: Das ist eine ambivalente Sache, denn ich war sieben Jahre alt, als ich zu den Papageien gekommen bin und sie gezüchtet habe.

NIDW: Was war deine erste Art?

Chris: Arten wie der Nymphensittich aus Australien. Grundsätzlich begrüßte ich die Avikultur, denn sie hat uns gezeigt, wie man diese Vögel erhalten kann und so haben wir etliche Populationen gerettet, die vom Aussterben bedroht waren. Aber einen Haustierpapagei als Einzeltier in einem engen Käfig zu halten, ihn alleine zu Hause zu lassen, wenn man zur Arbeit geht, und ihn dann nur am Abend zu sehen, ist eine schlimme Sache. Die Tiere werden depressiv und beginnen dann, ihre Federn auszurupfen. Diese Selbstverstümmelung ist keine genetische Sache, sondern ein Stress-Symptom. Es ist der Hilferuf eines Tieres, das nicht glücklich ist, weil es seine Bedürfnisse nicht erfüllt bekommt.

NIDW: …Ich selber habe ebenfalls noch nie einen wilden gerupften Papagei gesehen.

Chris: Nein, so etwas passiert auch nicht! Hier muss sich die Haltung im Zweifelsfall massiv verbessern.

NidW: Wir haben eine letzte Frage. Was siehst du für die Zukunft dieses Projekts? Ist es unbedingt mit dir verbunden oder könnte es irgendwann auch ohne dich laufen?

Chris: Letzteres wäre fantastisch *lacht*. Ja, das wäre schön, weil ich mehr Zeit in Neuseeland verbringen und andere Projekte machen möchte. Mein Wunsch ist, dieses Projekt hier zu etablieren, um mehr Nachhaltigkeit zu schaffen, damit es dann von einem Team verwaltet werden kann. Es wäre schön, ein wenig mehr Freiheit zu haben.

NidW: Also hast du manchmal doch ein bisschen Heimweh?

Chris: Oh ja! Während der Covid-Pandemie konnte ich zwei Jahre lang nicht nach Hause gehen!

NidW: Stimmt, Neuseeland war ja sehr streng in dieser Hinsicht. Wenn unsere Leser*innen deinem Projekt helfen und es unterstützen möchten, wie können sie das tun?

Chris: Sie können z.B. online spenden. Das hilft uns, das Futter und die medizinische Versorgung der Tiere zu gewährleisten und auch unsere Bildungsarbeit fortzuführen.

NidW: Chris, wir danken dir dafür, dass wir hier sein durften. Danke für dieses Gespräch!


Link zum Macaw-Conservation-Project

Bildquellen: Nerds in der Wildnis/Torsten Schneyer

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